Der unsichtbare Krieg – die Ukraine ein gespaltenes Land

Heimische Helfer berichten aus der Ukraine - die Realität ist viel komplizierter und trauriger als die Bilder im Fernsehen

 

Als wenn die Lage im ukrainischen Charkiw nicht schon schwierig genug wäre, in der Stadt, in der Fritz Körber als Vorsitzender der AWO-Behringersdorf-Schwaig mit seinen Mitstreitern Kurt Bauer, Roland Seitz und Edgar Völkel von den Naturfreunden Lauf seit vielen Jahren Hilfe leistet, kommt es durch Flüchtlinge aus dem umkämpften Osten des Landes zu zusätzlichen Problemen.

 

Neuerdings werden wir immer wieder nach unserer Rückkehr aus Charkiw gefragt, wie das Leben in Nürnbergs Partnerstadt im Moment aussieht und wie es ist, in diesen Tagen dort Gast zu sein. Und wir verstehen, dass das Bild der hier Lebenden von der Wirklichkeit immer öfter von Fernsehbeiträgen oder Fotos geprägt wird.

Und Körber antwortet: „Eine gute halbe Fahrstunde entfernt liegt die Grenze zu Russland. Die Straße ist gut ausgebaut, die mit Sandsäcken gesicherten Kontrollpunkte am Stadteingang sind jedoch verschwunden. Innerhalb des Umfahrungsrings prangen an beiden Seiten der Hauptstraße dafür an fast jedem Laternenmast ukrainische Flaggen. Die Ukraine markiert ihr Territorium.“

 

„Am Platz der Freiheit ist der Sockel des ehemaligen Lenin-Denkmals weiträumig mit Brettern umzäunt. Der Anführer der russischen Oktoberrevolution musste seinen Ehrenplatz schon im September 2014 räumen. Im Gespräch erzählt mir mein Dolmetscher es gäbe aktive Kreise, die an der Stelle der Lenin-Statue eine Gedenkstätte für die Opfer des Donbass-Krieges errichten möchten. Bis dahin wird der Gefallenen an der 250 Kilometer südlich verlaufenden Frontlinie in einem Zelt am oberen Ende des Freiheitsplatzes gedacht. Auf einem Tischchen vor dem Zelt stehen eine Spendenbüchse und ein Stapel verfasster Flugblätter. Doch die Einheimischen beachten sie kaum.

 

Die Charkiwer hätten sich an den Krieg im Donbass gewöhnt und seien abgestumpft, fällt mir eine junge Frau ins Wort. Es wird immer schwieriger, Geld für die nötige Hilfe zu sammeln, klagt sie. Und auch die Gegenwart der Flüchtlinge aus dem Donbass, die rund 10 Prozent der 1,5 Millionen in Charkiw ausmachen sollen, scheint an der wachsenden Gleichgültigkeit nichts zu ändern.“

 

Obwohl die Wirtschaft in der Ukraine bescheiden wächst und das Mindestgehalt und die Renten bescheiden erhöht worden sind, ist es immer noch für sehr viele Menschen schwer über die Runden zu kommen. Die Erhöhungen werden von ständig steigenden Preisen aufgefressen. Die Tarife für Gas und Strom, haben sich verdreifacht und die Lebensmittel werden immer teuerer. Leidtragende sind, so Körber weiter, die einfachen Leute. Sie hätten Angst um ihre Arbeitsplätze und um ihre Renten, weil die Währung zusehends verfalle. Hinzu komme ein Gefühl der Unsicherheit, denn für viele wurde ihre Zukunftsplanung über den Haufen geworfen.

Schwieriges Überleben – Hilfen werden dringend gebraucht – Spenden kommen an


Viele Menschen in Charkiw brauchen also auch weiterhin unsere Unterstützung. Und ungeachtet des Kriegskonfliktes konnten wir mit den Spenden der Bürgerinnen und Bürger einiges erreichen:
Über 2800 Lebensmittelpakete wurden in den letzten Monaten von der AWO an arme Menschen in Charkiw verteilt. Dringend wird deshalb bei all unseren Gesprächen um weitere Hilfe nachgefragt. „Doch es geht nicht nur um die konkrete materielle Hilfe wie etwa die Lebensmittelpakete“, so Körber. „Mindestens genauso wichtig für die Menschen dort ist die Gewissheit, dass sie in ihrer wirtschaftlichen Not nicht allein gelassen werden. Dieses Wissen um Unterstützung tröstet auch noch, wenn die Lebensmittel längst verbraucht sind.“

 

Doch die Lage scheint sich noch länger nicht wirklich zu stabilisieren. Das ist vor allem für die Ärmsten der Armen besonders schlimm. „Es herrscht vor allem bei diesem Personenkreis die Gewissheit, dass aus eigener Kraft kaum etwas besser werden kann.“ Eine vertrauenswürdige Anlaufstelle für die Hilfsmaßnahmen der AWO ist das Zentrum für soziale Dienstleistungen im Wohnbezirk Moskowskij. Die Erfahrungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass von hier aus alle Spenden tatsächlich bei den Hilfebedürftigen ankommen. Besonders die Flüchtlinge aus dem ostukrainischen Konfliktgebiet, alte Menschen, Kranke und Behinderte sind auf die Unterstützung der AWO angewiesen, weil die ohnehin kümmerlichen Rentenzahlungen nicht selten auf sich warten lassen. Im Kulturhaus der Miliz im Wohnbezirk Kyiwsky erhalten 150 bedürftige Familien - von der Stadtverwaltung ausgesucht - je 30 Euro von uns überreicht; fast eine Monatsrente bei einem Kurswechsel von 32 Grivna zu einem Euro. Auch dringend notwendige Medikamente für eine Kinderkrebsstation im Krankenhaus Nr. 16 hatte Kurt Bauer von den Naturfreunden Lauf im Gepäck.

 

Im Charkiwer Rathaus ist ein Gespräch mit der stellvertretenden Oberbürgermeisterin Frau Swetlana Gorbunowa-Ruban vereinbart – mit Fernsehteam. Viele Fragen strömen auf uns ein. Schon beim ersten Programmpunkt ergibt sich ein weiteres Projekt für die Naturfreunde. Spontan sagt Kurt Bauer seine Unterstützung einer Familie mit bisher vier Kindern zu um einige unverzichtbare Anschaffungen kaufen zu können. Bei der erneuten Schwangerschaft der Mutter kamen überraschend Drillinge zur Welt und die kleine Zweizimmer-Wohnung platzte förmlich für sieben Kinder aus allen Nähten. Aber auch für die AWO und Fritz Körber ergab Punkt 2 eine weitere Möglichkeit, die dringend notwendige Operationen für Zwillinge in einem besonders tragischen Fall zu helfen. Abschließend gibt Fritz Körber dem Fernsehteam ein Interview, beantwortet Fragen und nimmt zu den  Hilfsmaßnahmen der letzten Jahre Stellung.

 

„Es schmerzt diese Not tagtäglich zu sehen, diese oft schreckliche Armut, diese Hoffnungs-losigkeit, die bedrückt“, gibt Körber zu. Er weiß, dass „Dinge, die wir als selbstverständlich erachten, in der Ukraine reiner Luxus sind“. Und wir haben viele gute Freunde in all den Jahren in der Ukraine gewinnen können, berichtet er. Doch inzwischen merke man die Spaltung des Landes in ein pro-russisches und ein pro-westliches Lager, selbst in den Familien. Das Land werde praktisch entzwei gerissen. Nicht zuletzt deshalb hoffen Körber und seine Mitstreiter von den Naturfreunden auf ein baldiges Ende der kriegerischen Auseinandersetzung im Donetzk und Luhansk.

 

Bericht aus der Pegnitz-Zeitung vom 07.02.2015

 

Charkiw ehrt Fritz Körber

Der frühere Schwaiger Bürgermeister Fritz Körber wurde für sein jahrelanges soziales Engagement für Charkiw mit der zweithöch-sten Auszeichnung der ukrainischen Stadt geehrt.

 

Überreicht wurde die Urkunde von der stell-vertretenden Oberbürgermeisterin Referentin für Gesundheitswesen und Soziales, Swetlana Gorbunowa-Ruban, beim Besuch Körbers erst vor wenigen Wochen in der Ukraine.

 

Die Urkunde trägt den Titel "Diplom des Preis-träger des Preises des Rates der Stadt Charkiw". Der Rat verleiht den Preis "für einen wichtigen Beitrag zur Lösung der sozialen und wirtschaftlichen Probleme sowie zur Entwicklung der lokalen Selbstverwaltung im Sinne einer Stärkung der internationalen Beziehungen.